Wie ich gelernt habe, mich nicht mehr zu sorgen und die Leica zu lieben


Dieser Text ist für jene, die sich mit dem Gedanken quälen, eine alte Leica zu kaufen oder sich ohne großes Vorwissen in analoger Fotografie probieren wollen.

Ich habe mich vor dem letzten Urlaub damit herumgeschlagen, mit einer Leica M fotografieren zu wollen. Seit ich fotografiere ist sie immer als der heilige Gral angepriesen worden, das Nonplusultra der Fotografie. Eine Leica M ist quasi das fotografische Äquivalent eines Porsche gemischt mit einem Jaguar, entsprechend bepreist und folglich oft im Besitz von Ärzten, Juristen und allgemein Männern über 50 anzutreffen.

Dabei passt sie aber konzeptuell ganz gut zu meiner Fotografie: Funktioniert wunderbar mit verfügbarem Licht und ohne Studio, ist klein, handlich, schnell und wenig aufdringlich. Aus meiner Sicht zahlt man für eine digitale Leica M aber einfach ein bisschen zu viel, denn die digitalen Leicas altern nicht besser als andere digitale Kameras.

Analoge Leicas haben hingegen einen sehr guten Werterhalt und funktionieren mit den gleichen Objektiven, die in der Regel den Preis der Kamera sowieso übersteigen. Ich habe also vor dem Urlaub kurzerhand eine Leica M7 mit einem Summicron 50mm von eBay Kleinanzeigen gefischt und was meine Erfahrungen mit dieser Kombinatiion waren, das habe ich hier aufgeschrieben.

Das Biest

Die nicht besonders leichte, aber aus solidem Metall gefertigte Leica M7 ist das letzte Modell, dass für Filmfotografie gebaut wurde. Es besitzt einen Belichtungsmesser und Zeitautomatik, einen elektrisch gesteuerten Verschluss und kann ohne Batterien entsprechend nur mit zwei Verschlusszeiten belichten: 1/60 und 1/125. Das Summicron 50mm kann die Blende bis f2 öffnen und ist ebenfalls nicht besonders leicht. Auf Kleinbild (35mm Film, in digitaler Sprache auch Vollformat genannt) hat man damit ein Normalobjektiv.

Mit der Brennweite bin ich nicht ganz warm geworden, was mich etwas überrascht hat. Normalerweise fühle ich mich mit 50mm ganz wohl, aber für Urlaub und spontane Fotos auf der Straße wäre wohl ein 35mm-Objektiv sinnvoller gewesen. Das Objektiv selbst ist sehr gut und hat auch an einem Adapter mit meiner Fuji X-E3 sehr schicke Fotos produziert. Will sagen: Man merkt schon, warum die Optiken von Leica ihren Ruf haben. Gerade das Kontrastverhalten bei dunklen Bildern hat mich begeistert.

Das Objektiv erzeugt einen gewissen Look, was vermutlich auch am Alter des Objektivs liegt. Ein größerer Romantiker als ich spricht jetzt vermutlich vom Leica-Look, ich halte das aber auf Dauer für ähnlich interessant wie laufend den gleichen Instagram-Filter zu nutzen. Mein manuelles chinesisches Billigobjektiv von 7artisans mit 25mm/f1,8 produziert auch einen eigenen Look, den ich auch mag und auf den ich auch im Zweifelsfall verzichten kann. Meine Fuji-Objektive produzieren ein vergleichsweise neutrales Bild. Nichts davon entscheidet darüber, ob ein Foto besser oder schlechter ist - deshalb finde ich den Beitrag zum Look eine Nebensächlichkeit.

Wer ein Objektiv mit einem eigene Look haben möchte, kann aus wirklich vielen alten Objektiven wählen, die auch sehr günstig zu haben sind. Minolta, Canon, Pentax - hier gibts viel, wofür man kein Leica-Objektiv kaufen muss. Es sei denn, es ist eben genau das, was einen glücklich macht.

Das Handling und die Haptik von Kamera und Objektiv machen allerdings wirklich Spaß. Man merkt, dass hier viel Denkleistung, Ingenieurskunst und Präzisionsarbeit zusammenkommen und zusammenspielen. Der Fokuslauf am Objektiv, die leise und glatt laufende Mechanik der Kamera… wirklich angenehm, denn so tritt das Gerät in den Hintergrund.

Das analoge Erlebnis

Im Vergleich zum Fotografieren mit einer digitalen Kamera hat deutlich weniger zu bedienen, nämlich nur fünf Einstellungen. Blende, Belichtungszeit, Fokus und Empfindlichkeit des Films. Die Belichtungszeit übernimmt auf Wunsch die Kamera. Das führt logischerweise dazu, dass man sich mehr auf das Bild konzentrieren kann, denn auch im Sucher gibt es nur zwei Anzeigen: Das Messfeld für die Schärfe und die Belichtungszeit oder einen Indikator, wie gut sie laut Kamera gewählt wurde. Nicht zu vergleichen mit dem Cockpit an Anzeigen, mit dem eine moderne Kamera den Nutzer konfrontiert. Ein starker Gewinn.

Hingegen treibt mich die Notwendigkeit, die Lichtempfindlichkeit durch das Einlegen des Films für die nächsten 36 Fotos festzulegen, in den Wahnsinn. Es ist zu dunkel geworden und der Film ist nicht voll? Dein Pech, fotografiere weiter, wenn es wieder hell ist. Aber das lässt sich sicher irgendwie positiv als Entschleunigung verkaufen…

Überhaupt ist die Umstellungsphase zunächst etwas stressig. Während man überlegt, ob man jetzt, gleich oder garnicht ein Foto macht, kann man durchaus öfter eine Gelegenheit verpassen, wo man mit der digitalen Kamera einfach kurz zwei Fotos gemacht hätte und nur eines behalten. Dabei kommt einem die Bedienung der Kamera nicht in die Quere, aber der eigene Kopf. Man könnte natürlich auch zwei Fotos machen, aber damit kommen wir dann zum Thema der laufenden Kosten.

Das analoge Ergebnis Ich dachte ja schon mal, dass der Prozess nach dem Fotografieren im Digitalen lästig wäre. Hui. Das finde ich analogen wesentlich belastender.

Wenn man nicht selbst entwickeln aber anständige Abzüge und Scans möchte, muss man gut in die Tasche greifen. Und selbst dann war ich nicht durchweg glücklich. Man gibt sehr viel Gestaltungsmöglichkeiten aus der Hand, an denen einem selbst viel liegt, aber nicht zwingend den Angestellten eines Fotolabors. Man kann sich zwar auf das hin und her mit den Fotolaboranten einlassen, bis die den automatisierten Negativscannern einen Scan mit akzeptablen Einstellungen entlocken, aber da gehen Tage ins Land und Nerven zu Bruch. Solange man sich zwischen 100 und 400 ISO bewegt, scheint das aber kein großes Problem zu sein. Trotzdem muss man unter diesen Bedingungen viel Glück haben, bis ein Bild herauskommt, mit dem man einfach zufrieden sein kann. Außerdem berechnen Labore wirklich eine gute Stange Geld für Scans, die annähernd an gewohnte Auflösungen herankommen und dann vielleicht nicht einfach nur als JPG ausgeliefert werden, sondern als TIFF.

Meine Empfehlung und mein nächster Versuch wird es also, einfach 400er SW-Film selbst zu entwickeln und wenn man mal mehr als ISO 400 braucht den Film einfach zu pushen, sprich wie einen empfindlicheren Film zu behandeln und passend entwickeln. Das geht zuhause und wird sich bei den Preisen, welche die Fachgeschäfte aufrufen, sehr schnell rechnen. Negativscanner sind vielleicht ein schwierigeres Thema, aber angeblich gibt es da akzeptable für das Geld, mit dem man auch fünf Filme inklusive Scans entwickelt bekommt.

Unter dem Strich wurde ich hier mit meinen Ansprüchen an (Preis-)Leistung, Post-Processing und Lieferung von den Fotolaboren zu stark herausgefordert. Vielleicht gibt es da durchaus bessere und verträglichere als ich getestet habe, aber ich beneide keinesfalls die Analogfotografen von früher und habe neuen Respekt für ihre Geduld gewonnen.

Was habe ich gelernt?

Dieses Experiment war für mich insgesamt recht lehrreich. Für mich hat es die Gelegenheit gegeben, über viele Voraussetzungen und Gewohnheiten nochmal aus einer anderen Perspektive nachzudenken. Zudem macht ein bisschen Mechanik und manuelles Fokussieren durchaus auch Spaß.

Prinzipiell würde ich sagen, dass Kameras mit weniger Einstellungen besser für das Fotografieerlebnis sind. Jetzt fehlt mir am Markt eine angemessen bepreiste Kamera ohne Display, an der man nur Belichtungszeit, Blende und ISO an Rädern einstellt und manuelle Objektive anschließt. Den Rest kann ich dann in Lightroom machen, wenn die Kamera RAWs ausspuckt.

Wenn jemand nun überlegt, analog zu fotografieren, ist meine Empfehlung: Lieber die Entwicklung selbst umsetzen und den Prozess kontrollieren als sich von Laboren abhängig zu machen. Ist auch sehr schnell günstiger, selbst mit der Anschaffung eines Scanners.

Braucht man eine Leica oder Leica-Objektive? Nein. Aber ein gutes altes Objektv mit manuellem Fokus sollte man in seiner Kameratasche haben. Als Übungswerkzeug und weil echte Schätze sehr günstig zu haben sind. Da kann man dann auch frei nach gewünschtem Look wählen. Ansonsten gibt es da auch aus China viele günstige und interessante Angebote von neuen Marken mit ihren eigenen Tücken.

Post Scriptum 05-2021

Dieser Post lag mindestens zwei Jahre im Entwürfe-Ordner, weshalb ein kleiner Nachtrag gerechtfertigt scheint.

Ich habe die Leica M7 inklusive Objektiv bald nach dem Kolumbien-Urlaub verkauft. Warum? Diese Kamera hat einen elektronischen Verschluss und die Abhängigkeit von Batterien hat mich gestört. Außerdem war sie sehr teuer. Mit beidem habe ich mich nicht wohl gefühlt. Genau genommen haben mich der Wert von Kamera und Objektiv ziemlich gestresst.

Mit etwas Abstand habe ich mir eine deutlich günstigere M6 mit einem 50mm Zeiss-Objektiv geholt, die ihre Batterie nur für den Belichtungsmesser braucht. Allerdings habe ich später auch noch ein 35mm-Objektiv gekauft. Das sitzt jetzt fast immer auf der Kamera und ich genieße die Kombination sehr und diese beiden Objektive sind jetzt die einzigen, die ich für analoge und digitale Fotografie besitze und benutze.

Das Thema Entwicklung ist immernoch offen. Ich finde mich zum einen mit dem ab, was ich von Labor bekomme und probiere zum anderen hin und wieder ein neues Labor aus. Außerdem Fotografie ich insgesammt recht wenig analog.

Ich habe auch mal eine digitale Leica ausprobiert, aber Preis/Leistung haben mich nicht überzeugt und auch die Haptik der M240 gefiel mir nicht. Stattdessen bin ich mit der Fuji x100V sehr glücklich. Klein, leicht, optischer Sucher und ein sehr gutes 23mm-Objektiv, was etwa einem 35mm-Objektiv an einem Vollformat-Sensor entspricht.

Unterm Strich kann man wohl sagen:

  • Ich mag Kameras, die gerade noch so in die Jackentasche passen und 35mm Brennweite.
  • Digital ist mir lieber als analog, aber die direktere Erfahrung beim analogen Fotografieren ist sehr nett.

Das ist jetzt auch wirklich genug Text. Den letzten Stand findet man ab sofort hier.